Auszüge
Einführung von Dr. Karl A. Kumpfmüller, Friedensforscher
Leben an Grenzen – und deren überwindung
Emmerich Kollers über die Grenzen ist eine lehrreiche Geschichte über ein Leben in Armut, über den Zusammenhalt einer Familie, über willkürliche Grenzen und deren überwindung sowie über den nicht immer leichten Neubeginn in einer anderen, der sog. Neuen Welt.
Die Geschichte des Lebens im Dorf seiner Kindheit in unmittelbarer Nähe der ungarisch-österreichischen Staatsgrenze, wie sie nach dem Ersten Weltkrieg festgelegt worden war und nach dem Zweiten Weltkrieg durch die Errichtung eines Eisernen Vorhangs für immer unüberwindbar schien, macht das trennende, ausschließende Element von Grenzen überaus deutlich. Sie ist aber auch eine Geschichte der über alle Grenzen verbindenden und sie überwindenden Kraft menschlicher Zuversicht und unbesiegbaren Mutes. Es ist eine Geschichte von Flucht und Zuflucht, von Verzweiflung und Hoffnung, von Bedrohung und Widerstand, von Aufgabe und Neubeginn, von Verlust und Gewinn – kurz: eine Ur-Geschichte menschlicher Existenz, ihrer Bedrohtheit und ihrer Rettung. Das macht diese Autobiographie so einmalig und universell zugleich. WEITER »
Dunkle Wolken
Große Aufregung herrschte im Frühjahr 1945 in Pernau, meinem kleinen Dorf im äußersten Westen Ungarns. Die Front rückte näher, die Russen kommen! Angst und Schrecken machten sich breit, sah man doch in den Russen eine weitere wilde Horde aus Asien – und ihr Ruf stand nicht hinter dem der Vorgänger zurück. Die Hunnen, die Mongolen, die Türken – sie alle waren in den vergangenen Jahrhunderten über das Pinkatal hereingebrochen – und ihre Grausamkeit war bekannt. Würden die Dorfbewohner nun wieder zwischen die Mühlen der Geschichte geraten, oder gab es einen Ausweg? Wie hat sich die einfache, wehrlose Landbevölkerung wohl jeweils auf einen einfallenden Eroberer vorbereitet, von dem man allenthalben nur das Schlimmste hörte? Hoffte man auf einen schnellen, gnädigen Tod, oder versuchte man, sich zu verstecken? Wetzten die Männer ihre Äxte und Sensen, oder starben sie, die Mistgabel in der gereckten Faust zur Verteidigung von Frau und Kindern?
Dass man einmal gute Erfahrungen gemacht hatte mit den Russen, während des ersten Weltkrieges, als Kriegsgefangene in unseren Wäldern arbeiteten, das war vergessen. In Krisenzeiten und Zeiten der Angst schießen Gerüchte wie Pilze aus dem Boden. Die neuesten Gerüchte besagten, die Russen wären alle Vergewaltiger, sie würden sich nehmen, was ihnen gefiel, und in Panzern ankommen, die so groß waren, dass sie Bäume und Häuser glatt überrollten. Was tun? WEITER »